Anonyme Person

Frage

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Antwort

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Anonym
Theologiestudent

Das Interview wurde am 18.11.2002 auf Band aufgezeichnet und schriftlich fixiert.

1. Frage:
Im Verständnis der katholischen Kirche sind alle zum allgemeinen Priestertum berufen und mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beauftragt. Die Befähigung hierfür gibt der Hl. Geist "wie er will" (1 Kor 12,11). Im Bild des “Leibes und der vielen Glieder" (1 Kor 12,12-31a) wird deutlich, dass keine Befähigung wichtiger oder wertvoller ist als eine andere. Wenn Eltern ihren Kindern in Liebe begegnen und sie nach christlichen Grundsätzen erziehen, so ist dies ebenso charismatisch und notwendig zum Aufbau der Kirche, wie der Priester, der seine Gemeinde leitet.

Trotzdem gibt es den besonderen Dienst des Amtspriestertums. Seinen Dienst versteht die Kirche als dreifaches Amt Christi: Prophet (Lehramt), Priester (Priesteramt), König (Hirtenamt).

Ist dies nicht eigentlich ein Widerspruch?

Antwort:
Die Beantwortung der Frage viel mir nicht leicht. Dennoch, ich denke es ist kein Widerspruch. Wenn man im Bild vom Leib und den vielen Gliedern bleibt heißt das: Es gibt auch Körperteile, die "Leitungsfunktionen" wahrnehmen z.B. Nervenbahnen oder das Rückenmark bzw. das Gehirn. Wenn ich das übertrage, funktioniert ein Körper nicht, wenn nicht irgend jemand eine Struktur aufrechterhält und das ganze in geordnete Züge lenkt. Wichtig ist dabei nur, dass auch diesen "Nervenbahnen" bewusst ist, das auch die kleinste Hand und der kleinste Finger eine ganz wichtige Aufgabe am Gesamtkörper haben. Auf die Kirche übertragen heißt das: Ich habe das Gefühl, dass das Amtspriestertum sich nicht ganz klar ist, dass das Laienpriestertum auch wichtig ist, und dass sie nicht darüber stehen, sondern dass sie nur zur Koordination da sind.


2. Frage:
Worin sehen Sie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum?

Antwort:
Das muss meiner Meinung nach in verschiedenen Schritten vorangehen. Der wichtigste Schritt, der wohl oft noch nicht getan ist, ist die Achtung voreinander. Das habe ich in Frage 1 kurz anklingen lassen. Ich denke, ohne gegenseitige Achtung braucht man da gar nicht weiter zu diskutieren. Solange einer auf seinem Machtmonopol sitzt wird es keine echte Zusammenarbeit geben. Da werden alle, die "unter" ihm stehen Angst haben müssen etwas zu sagen und dadurch ihren Job, ihr Ansehen, ihr Gesicht zu verlieren. Man kann erst im Team zusammenarbeiten wenn einer den anderen respektiert. Der zweite Schritt ist: aus diesem Respekt wächst Vertrauen. Das wird sich nicht von heute auf morgen einstellen. Auch nachdem formuliert wurde, dass es das allgemeine Priestertum gibt, hat sich nicht sofort etwas geändert. Eigentlich hat sich nur sehr wenig in den Köpfen der Leute geändert. Es muss also Vertrauen aufgebaut werden und das dauert eine ganze Weile. Was man als nächstes braucht, sind gemeinsame Ziele. Ich denke nicht, dass es reicht wenn man sagt: ‘Wir sind jetzt alle ein Team und fertig.' Man muss sich auch ein gemeinsames Ziel setzten, auch im Kleinen, also in den Gemeinden selbst. Dann wird auch der geweihte Priester entdecken, dass seine Laien Fähigkeiten, Charismen bekommen haben, die er selbst vielleicht nicht hat. Und die Laien werden entdecken, dass der Priester Charismen hat, die sie selbst nicht haben. Und ich denke, nur daraus erwächst die Chance wirklich zusammenzuarbeiten.


3. Frage:
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Probleme bzw. die Grenzen dieser Zusammenarbeit?

Antwort:
Ein weiteres Problem, neben denen die ich schon genannt habe, sehe ich darin, dass früher die Kommunikation einfach besser geklappt hat. Meine Eltern z.B. können sich zumindest daran erinnern, dass der Pfarrer immer sonntags nach der Kirche mit am Stammtisch gesessen hat und ein Bier mitgetrunken hat. Man konnte dann auch ohne Probleme Kritik an der Predigt üben oder man hat gemeinsame Gemeindeprojekte durchgesprochen. Heute ist der Pfarrer ein Stück unnahbar geworden, auch weil er viel zuviel zu tun hat; weil er sich um Liturgie, Katechese, Gemeindeleitung und die Finanzen zu kümmern hat, Für den Kontakt mit den Gemeindemitgliedern, der eigentlich sehr wichtig ist, bleibt keine Zeit mehr. Ich glaube das ist ein großes Problem. Und Grenzen der Zusammenarbeit sehe ich definitiv keine. Mir fällt nichts ein, was man nicht gemeinsam tun könnte.


4. Frage:
In welchen Bereichen findet diese Zusammenarbeit in ihrer Pfarrei statt, in welchen Bereichen sollte bzw. kann sie ausgebaut werden?

Antwort:
Also speziell in meiner Gemeinde findet Zusammenarbeit insofern statt, als dass es verschiedene Arbeitsgruppen und -kreise gibt, die Laienpriestertum leben. D.h. sie haben  ihre Charismen entdeckt und arbeiten auch damit, z.B. bei der Organisation von Kinderbibeltagen oder  bei Bildungsveranstaltungen für Erwachsene usw. Es gibt schon sehr vielfältige Ansätze, wobei man meiner Meinung nach trotzdem nicht von Zusammenarbeit sprechen kann, denn gerade bei uns in der Pfarrei ist es so, dass viele Dinge einfach nur geduldet werden, und nicht unbedingt erwünscht sind. Das ist aber meiner Meinung nach keine Zusammenarbeit.


5. Frage:

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil, auf die Konzilsbeschlüsse und die Zeit danach: Inwiefern hat sich (unter den Laien und unter den Priestern) das Bewusstsein einem allgemeinem Priestertum anzugehören und inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum verändert?

Antwort:
Es ist schwierig für mich, das zu sagen, denn alles was ich weiß ist nach dem zweiten Vatikanum entstanden. Trotzdem denke ich, man hat sich auf den Weg gemacht, und man war guten Willens. Alleine wenn man bedenkt was die Liturgie betrifft, dass man dafür gesorgt hat, dass sie vom Volk verstanden wird. Auch dass man auf die einzelnen Christen vom Gottesdienstablauf her zugegangen ist, und dass man durch die Schaffung von Räten, wie Pfarrgemeinderat usw. Mitbestimmung und Mitbau der Gemeindekirche ermöglicht hat. Allerdings sehe ich das so, dass man nur kleine, gesicherte Bereiche aus der Hand gegeben hat - wenn überhaupt. Wenn der Pfarrer im Pfarrgemeinderat z.B. "nein" sagt, dann ist das ein Nein. Es gibt sicher Gemeinden, in denen das niemals passieren würde. Aber wenn man mehrfach erlebt hat, dass der Pfarrgemeinderat nahezu einstimmig etwas beschließt und der Pfarrer sagt: "Nein, ich mache das trotzdem nicht!", dann überlegt man wirklich, ob das Ganze nicht nur eine Farce ist, ob man sich da nicht selber etwas vorlügt. Nach außen hin so tun als wäre man sehr fortschrittlich und demokratisch, aber auf der anderen Seite doch wahnsinnige Angst hat seine Macht zu verlieren. Und ob sich da wirklich etwas auf  den Weg begibt, hängt meiner Meinung nach davon ab, ob man seine Weihe als Übertragung von Macht ansieht oder nicht.


6. Frage:
Glauben Sie, dass den Christen die keine theologische Vorbildung haben, bewusst ist, was das allgemeine Priestertum ist, welche Bedeutung es für den Einzelnen und welche es für die Kirche hat?
 
Antwort:
Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn erst einmal würde ich pauschal mit Nein antworten. Weil davon nichts spürbar ist. Man spürt hier in der Gemeinde nichts davon, dass man berufen ist. Wenn man es von der Kirchenseite aus sieht, dann ist da niemand, der Charismen fördert, der sich überhaupt die Mühe macht hinzusehen. Und wenn bei jemandem besondere Fähigkeiten entdeckt werden, wird ihm kein Mut gemacht, diese Fähigkeit auszuüben. Das gibt es hier definitiv nicht. Das habe ich hier noch nie erlebt, eher das Gegenteil.

Auf der anderen Seite kann ich das eben doch nicht so fest behaupten. Vielleicht gibt es sehr wohl Fälle, in denen auch der Amtspriester Charismen entdeckt und fördert. Außerdem denke und ich auch nicht, dass es nur an ihm hängt. Ich glaube schon, dass jeder Christ in sich etwas spürt, eine Art Berufung, an der Kirche mitzubauen. Dieses Gespür, verursacht vielleicht durch den Heiligen Geist, gibt Kraft und Mut für seine Ideale, für die Kirche der Zukunft zu kämpfen, auch wenn das sehr viel Kraft kostet und auch, wenn das oft in Konfrontation zum Pfarrer steht. Dieser Mut, diese Kraft muss irgendwo herkommen, und sie kommt sicherlich nicht durch den Pfarrer.


7. Frage:
Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat folgende statistische Daten herausgegeben (Vergleichszahlen 2000 gegenüber 1990):

  • Anzahl der Katholiken in der BRD:
  • - 1.435.000

    - 5,1 %

  • im Verhältnis zur gestiegenen Bevölkerungszahl:
  • - 11,7 %

  • Priester im aktiven Dienst:
  • - 2595

    - 17,1 %

  • Diakone im Hauptberuf:
  • + 385

    + 64,9 %

  • Diakone mit Zivilberuf:
  • + 480

    + 52,6 %

  • Pastoralassistent/referent/innen:
  • + 743

    + 20,6 %

  • Gemeindeassistent/referent/innen:
  • + 1200

    + 77,8 %

    Alle Auf- bzw. Abwärtsbewegungen sind keinen großen Schwankungen ausgesetzt, sondern verlaufen linear.
     
    Sind angesichts dieser Zahlen andere Denkmodelle bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum notwendig? Wenn ja, in welche Richtung müssten Sie Ihrer Meinung nach gehen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat oder die Ordination von Frauen?

    Antwort:
    Wenn ich mir die Zahlen ansehe, dann könnte es stimmen, dass man diese Ausbildung der Gemeinde- und Pastoralreferenten wohl auch deswegen forciert, weil Pfarrer fehlen. Aus der Not heraus wurde ein neuer Berufsstand geboren. Ob das so sinn- und zweckvoll ist wage ich zu bezweifeln. Ein anderes Denkmodell der Zusammenarbeit? Also mir würde es schon reichen, wenn die Zusammenarbeit überhaupt klappt, welches Denkmodell wäre mir da eigentlich egal. Ich halte es für schlecht, wenn wir darauf hinlaufen, dass es immer mehr Pfarrer gibt, die nur den liturgischen Dienst verrichten, sprich für die Eucharistiefeier zuständig sind, und dann so was wie "liturgische Flugenten" entstehen, die mal kurz einschneien, ihren Gottesdienst halten aber dann sofort wieder weiter zur nächsten Gemeinde müssen. Pfarrer, die man wirklich nur kurz zum Brotausteilen entdeckt, und dann sind sie wieder weg. Es ist Spekulation, ob der Zölibat, die Ordination von Frauen oder es vielleicht doch das Gesamtimage der Kirche für den Rückgang des Priestertums verantwortlich ist. Aber meiner Meinung nach spricht absolut nichts dagegen, Frauen zu Priestern zu weihen. Man müsste da vielleicht mehr Vertrauen haben, dass Gott seine Kirche nicht verkehrt laufen lässt. Man müsste da mehr aus der eigenen Machthand in Gottes Hand geben können. Die Ordination von Frauen wird mit Sicherheit irgendwann einmal kommen. Der Zölibat ist vielleicht eine Form, die gerechtfertigt ist, aber ich finde es unsinnig ihn zur Pflicht zu machen, das sollte freiwillig sein.


    8. Frage:
    In der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" ist in Kapitel 2 - Vers 10 zu lesen:
    "Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht..."
    In Vers 12 steht weiter: "Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‘teilt den Einzelnen, wie er will' (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden..."

    Es gibt eine ganze Reihe von Pastoralassistent/innen die sowohl eine ebenso fundierte theologische Ausbildung haben wie Amtspriester, als auch spirituelle Gaben. Was spricht eigentlich dagegen, wenn der Bischof (der letztlich über die Echtheit der Geistesgaben urteilt [Lumen Gentium 12]) diese Laien zur Leitung einer Pfarrgemeinde beauftragt, dass diese Laien durch den Bischof "zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zu Feier des Gottesdienstes" (LG 28) ermächtigt werden?

    Antwort:
    Grundsätzlich denke ich würde nichts dagegen sprechen.


    9. Frage:
    In anderen christlichen Kirchen scheint das allgemeine Priestertum einen höheren Stellenwert zu haben als in der katholischen Kirche, z.B. in den Freikirchen. Sind Sie ebenfalls dieser Ansicht? Wenn es um eine Annäherung der christlichen Kirchen geht, welche Rolle spielt dabei das unterschiedliche Verständnis von Amtpriestertum und allgemeinem Priestertum?

    Antwort:
    Was, die Freikirchen betrifft, so haben sie einen Aspekt, der zum Vorteil oder zum Nachteil gereichen kann. Sie haben diese Jahrhunderte alte Tradition nicht. Auf der einen Seite schleppen sie nicht alt hergekomme Einstellungen mit sich herum und können deshalb viel flexibler auf geänderte Gesellschaftsformen reagieren. Im Zuge dessen können sie viel mehr einfach zulassen, können dem Laienpriestertum viel mehr Raum und Vertrauen geben. Auf der anderen Seite birgt diese fehlende Tradition auch die große Gefahr, dass man sich eben in völlig modischen Launen verstrickt. Ökumene sagt nicht, dass wir alles in einen Topf werfen, sondern dass man sich mit Achtung und Respekt begegnet. Das ist das eine. Das andere ist, man schaut einmal ganz ehrlich, ganz selbstkritisch was machen die anderen vielleicht schrittchenweise besser, wo könnten wir uns dann doch noch etwas abschauen und für unsere Kirche doch noch etwas lernen, ohne sich selbst aufzugeben.