Elisabeth Brang

Frage

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Antwort

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Elisabeth Brang
ehrenamtliche Mitarbeiterin in der Pfarrei St. Margaretha, Mainaschaff

Das Interview wurde am 12.11.2002 auf Band aufgezeichnet und schriftlich fixiert.

1. Frage:
Im Verständnis der katholischen Kirche sind alle zum allgemeinen Priestertum berufen und mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beauftragt. Die Befähigung hierfür gibt der Hl. Geist "wie er will" (1 Kor 12,11). Im Bild des “Leibes und der vielen Glieder" (1 Kor 12,12-31a) wird deutlich, dass keine Befähigung wichtiger oder wertvoller ist als eine andere. Wenn Eltern ihren Kindern in Liebe begegnen und sie nach christlichen Grundsätzen erziehen, so ist dies ebenso charismatisch und notwendig zum Aufbau der Kirche, wie der Priester, der seine Gemeinde leitet.

Trotzdem gibt es den besonderen Dienst des Amtspriestertums. Seinen Dienst versteht die Kirche als dreifaches Amt Christi: Prophet (Lehramt), Priester (Priesteramt), König (Hirtenamt).

Ist dies nicht eigentlich ein Widerspruch?

Antwort:
Ich persönlich sehe es nicht als Widerspruch, sondern als Ergänzung. Der einzelne Christ kann, sofern er seine Berufung ernst nimmt, an seinem ganz normalen Platz sein allgemeines Priestertum leben. Ob er nun nach außen wirkt und arbeitet oder ob er sein normales Leben aus dem Geiste Christi gestaltet und prägt. Für mich ist es mehr eine Frage des Seins. Nicht nur wer das Amt der Verkündigung oder der Leitung hat, sondern dass wir alle wissen, dass wir als überzeugte Christen Geistträger sind und dass Leben von uns übergehen kann. Meiner Erfahrung nach lebt jede Gemeinde von solchen Menschen. Und ich glaube, dass jede Gemeinde glücklich ist, deren Priester ein geistbewegter Mann ist, wo eben zur Autorität des Amtes das Sein kommt, das ausstrahlt.


2. Frage:
Worin sehen Sie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum?

Antwort:
Ich meine, dass es vor der Zusammenarbeit auf etwas anderes ankommt, nämlich auf den gegenseitigen Respekt. Wenn der Priester die Salbung mit dem Chrisam, die er ja bei der Taufe vollzieht, in das Leben seiner Gemeinde und in den Umgang mit seinen Gemeindemitgliedern hinein nimmt, dann entsteht eine Haltung der Achtung und das Hören aufeinander, das Ernstnehmen des Laien, der ja ebenso geistbewegt sein kann und durch den Gottes Geist leben und wirken kann. Wenn der Priester sich so als ein Diener versteht, dann wird es in seiner Gemeinde nicht ohne Auswirkung sein. Ich denke, ernstgenommene Laien haben die Motivation ihr allgemeines Priestertum zu leben. Letzthin hörte ich das schöne Wort von unserem Pfarrer, als ein Baby während der Tauffeier quäkte: "Ja, melde dich nur. Hier ist bei uns jeder willkommen, jeder kann mitreden." In einer solchen Atmosphäre lebt und wächst Gemeinde im Miteinander - getragen von Respekt und Achtung. Da wissen die Einzelnen: In Gottes Augen ist jeder von uns wertvoll!


3. Frage:
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Probleme bzw. die Grenzen dieser Zusammenarbeit?

Antwort:
Ich meine, dass Probleme und Grenzen fast immer im Mangel an Veränderungsbereitschaft liegen. Es sind meistens ganz menschliche Grenzen. Z.B. tut sich da ein Pfarrer schwer mit dem Zuhören. Er kann nicht wahrnehmen wie das Leben seiner Gemeinde wirklich ist. Oder da hat eine Gemeinde große Mühe beim Lernen von Neuerungen, hängt an "alten Zöpfen".


4. Frage:
In welchen Bereichen findet diese Zusammenarbeit in ihrer Pfarrei statt, in welchen Bereichen sollte bzw. kann sie ausgebaut werden?

Antwort:
In unserer Gemeinde erlebe ich dieses Miteinander. Da wo Wachstum möglich ist. Ich meine das ist immer an den Grenzen. Es braucht noch mehr Offenheit immer wieder für alle die, die Gemeinde nicht kennen. Es muss immer wieder an der Öffnung gearbeitet werden auf neue Menschen hin. Und ich glaube der Zugang dazu liegt an allen Aktivitäten die einfach offen sind für Außenstehende in der Gemeinde. In der Gemeinde selber erlebe ich diese Zusammenarbeit zwischen Priester und Laien als sehr fruchtbringend.


5. Frage:

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil, auf die Konzilsbeschlüsse und die Zeit danach: Inwiefern hat sich (unter den Laien und unter den Priestern) das Bewusstsein einem allgemeinem Priestertum anzugehören und inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum verändert?

Antwort:
Das ist für mich ziemlich schwierig zu beantworten. Ich war fünf Jahre alt, als das 2. Vatikanum eröffnet wurde. Aber in meinen Erfahrungen als Kind und Jugendlicher konnte ich den Wandel zu mehr Miteinander und zum Leben hin wahrnehmen. Der Priester rückte näher zur Gemeinde: räumlich mit dem Altar und auch das Latein, mir als Kind unverständlich, verschwand. Ich denke, dass seit dieser Zeit tatsächlich ein Umbruch passiert ist im Bezug auf allgemeines Priestertum, in dem Lebensvorgang der Pfarrgemeinderäte und im Verständnis des Priestertums und wie es sich konkretisiert.


6. Frage:
Glauben Sie, dass den Christen die keine theologische Vorbildung haben, bewusst ist, was das allgemeine Priestertum ist, welche Bedeutung es für den Einzelnen und welche es für die Kirche hat?
 
Antwort:
Ich halte es nicht für das Wesentlichste, dass wir, sozusagen untheologische Laien, das Wissen um das allgemeine Priestertum haben. Aber ich meine, dass das Bewusstsein, das Lebensgefühl einzelner, als Mensch und als Christ wichtig zu sein, also eine persönliche Berufung zu haben, dass das sehr wichtig ist. Dass der Mensch von heute es braucht, persönlich von Gott geliebt zu sein, also ein geliebter Mensch zu sein. Dieses Bewusstsein, dieses Lebensgefühl halte ich für ganz entscheidend. Ich glaube, dass das auch unsere Kirche von morgen und übermorgen prägen wird. Dieses gewandelte Bewusstsein von einem unter vielen, dahin als einzelner Mensch von Gott berufen und wichtig zu sein und in der Gemeinde verbunden zu stehen.


7. Frage:
Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat folgende statistische Daten herausgegeben (Vergleichszahlen 2000 gegenüber 1990):

  • Anzahl der Katholiken in der BRD:
  • - 1.435.000

    - 5,1 %

  • im Verhältnis zur gestiegenen Bevölkerungszahl:
  • - 11,7 %

  • Priester im aktiven Dienst:
  • - 2595

    - 17,1 %

  • Diakone im Hauptberuf:
  • + 385

    + 64,9 %

  • Diakone mit Zivilberuf:
  • + 480

    + 52,6 %

  • Pastoralassistent/referent/innen:
  • + 743

    + 20,6 %

  • Gemeindeassistent/referent/innen:
  • + 1200

    + 77,8 %

    Alle Auf- bzw. Abwärtsbewegungen sind keinen großen Schwankungen ausgesetzt, sondern verlaufen linear.
     
    Sind angesichts dieser Zahlen andere Denkmodelle bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum notwendig? Wenn ja, in welche Richtung müssten Sie Ihrer Meinung nach gehen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat oder die Ordination von Frauen?

    Antwort:
    Zuerst Ihre Frage mit den Denkmodellen: Man könnte sich welche ausdenken, aber ich glaube ich bin dazu nicht die richtige Frau. Ich möchte noch einmal etwas unterstreichen: Ich glaube einfach, dass das Miteinander, ganz egal in welcher Zusammensetzung von Hauptamtlichen und Laien, ganz notwendig die Achtung braucht, den notwendigen Respekt vor dem jeweiligen Charisma, vor dem Anderssein des Andern. Das ist aus meinem Blickwinkel das Entscheidende. Wenn das gegeben ist, dann könnte auch ein Pastoralassistent einer Gemeinde vorstehen. Wenn aber der Gemeindeassistent der Gemeinde mit dem heimlichen Triumph, dass er jetzt der Chef ist, vorstehen würde, dann bringen alle Modelle nichts, weil anderes im Spiel ist: in diesem Fall ein Machtgehabe. Es kommt auf die Haltung und das Sein an. Ich meine, alle die ein Amt haben, ganz egal ob Priester oder Laie, sie brauchen die Haltung des Dienens. Und wer dient, dem Leben dient, wird Dienste immer sinnvoll verteilen. Er wird sie weder alle selber tun, noch faul nichts tun. Für mich steht das mehr im Mittelpunkt, mehr als die Diskussion um Zölibat oder die Ordination von Frauen. Ich bin selber sehr überzeugt, dass wir als Frauen wertvolle Dienste in die Gemeinde einbringen sollten und einbringen können. Dass wir große Beiträge leisten, wenn wir unsere Kinder erziehen, liebesfähig erziehen, wenn wir in der Ehe leben, wenn wir Familie gestalten, wenn wir geistlich als Frauen in der Welt leben, unsere Berufe ausfüllen, wenn wir unsere Berufung leben.


    8. Frage:
    In der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" ist in Kapitel 2 - Vers 10 zu lesen:
    "Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht..."
    In Vers 12 steht weiter: "Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‘teilt den Einzelnen, wie er will' (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden..."

    Es gibt eine ganze Reihe von Pastoralassistent/innen die sowohl eine ebenso fundierte theologische Ausbildung haben wie Amtspriester, als auch spirituelle Gaben. Was spricht eigentlich dagegen, wenn der Bischof (der letztlich über die Echtheit der Geistesgaben urteilt [Lumen Gentium 12]) diese Laien zur Leitung einer Pfarrgemeinde beauftragt, dass diese Laien durch den Bischof "zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zu Feier des Gottesdienstes" (LG 28) ermächtigt werden?

    Antwort:
    Ich denke schon, dass Beauftragungen verschiedene Bereiche umfassen können, die für uns heute noch gar nicht erkennbar sind, z.B. dass Pastoralassistenten beauftragt werden zur Leitung einer Gemeinde. Ich glaube, dass das kein Problem ist. Die Eucharistie als Feier meine ich sollte aber als volle Feier dem Priester vorbehalten sein. Ich halte es für wichtig, dass die Bedeutung des Priestertums nicht verloren geht, dass sie eine eigene Berufung ist, die auch mehr ist als Leitung und Beauftragung. Ich selber hoffe, dass in den nächsten Jahren wieder eine ganze Bandbreite von Feiern entdeckt werden wird: so z.B. Wortgottesdienste, feierliche Vespergottesdienste, Bibelteilen als Wortfeier, Andachten mit Text und Bild, stille Anbetung, Taizégebet, Friedensgebete, um nur einige zu nennen. Ich glaube wirklich, dass der Geist nicht gebunden ist an das Amt, aber ich glaube, wir können auch wahrnehmen, dass es immer Amtsträger geben wird und dass es auch daneben die reinen Geistträger gibt, die nicht an das Amt gebunden sind.


    9. Frage:
    In anderen christlichen Kirchen scheint das allgemeine Priestertum einen höheren Stellenwert zu haben als in der katholischen Kirche, z.B. in den Freikirchen. Sind Sie ebenfalls dieser Ansicht? Wenn es um eine Annäherung der christlichen Kirchen geht, welche Rolle spielt dabei das unterschiedliche Verständnis von Amtpriestertum und allgemeinem Priestertum?

    Antwort:
    Was andere christliche Kirchen angeht kann ich nicht viel dazu sagen, weil ich zuwenig Erfahrungen habe. Ganz allgemein glaube ich, dass die Annäherung der Kirchen sich sicher auf verschiedenen Ebenen vollziehen wird und sicher auch schon vollzogen hat. Vieles vollzieht sich tatsächlich im Kontakt, im zwischenmenschlichen Kontakt, im Beziehungsfeld. Da glaube ich, dass es eine Menge Austausch und Annäherung geben kann, z.B. auch in Ehen, die interkonfessionell geschlossen sind.