Bischof Paul-Werner Scheele

Frage

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Antwort

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Paul Werner Scheele,
Bischof von Würzburg


Die Fragen wurden dem Bischof am 13.11.2002 schriftlich vorgelegt und dieser hat sie am 14.11.2002 schriftlich beantwortet.

1. Frage:
Im Verständnis der katholischen Kirche sind alle zum allgemeinen Priestertum berufen und mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beauftragt. Die Befähigung hierfür gibt der Hl. Geist "wie er will" (1 Kor 12,11). Im Bild des “Leibes und der vielen Glieder" (1 Kor 12,12-31a) wird deutlich, dass keine Befähigung wichtiger oder wertvoller ist als eine andere. Wenn Eltern ihren Kindern in Liebe begegnen und sie nach christlichen Grundsätzen erziehen, so ist dies ebenso charismatisch und notwendig zum Aufbau der Kirche, wie der Priester, der seine Gemeinde leitet.

Trotzdem gibt es den besonderen Dienst des Amtspriestertums. Seinen Dienst versteht die Kirche als dreifaches Amt Christi: Prophet (Lehramt), Priester (Priesteramt), König (Hirtenamt).

Ist dies nicht eigentlich ein Widerspruch?

Antwort:
Alle Christen nehmen an der prophetischen, priesterlichen und königlichen Sendung der Kirche teil. Alle sind zum gemeinsamen Priestertum berufen (mit dem Konzil ist dieser Begriff den Worten "allgemeines" Priestertum vorzuziehen). Das Weihepriestertum ist in den Dienst aller Christen gestellt. Deshalb spricht das Konzil vom "Priestertum des Dienstes". Es hat einen besonderen Anteil an der dreifachen Sendung erhalten, wie auch alle Christgläubigen im gemeinsamen Priestertum je nach ihren Gaben und Aufgaben die dreifache Sendung in je besonderer Weise wahrzunehmen haben: z.B. haben die Eltern in anderer Weise am Lehramt teil als etwa Kindergärtnerinnen, Religionslehrer, Universitätsprofessoren, Schriftsteller, Künstler usw. Für alle gilt: "Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes. Jeder mit der Gabe, die er empfangen hat" (1 Petr 4,10).


2. Frage:
Worin sehen Sie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum?

Antwort:
Die Vielfalt der Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen dem Weihepriestertum und dem gemeinsamen Priestertum haben wir in unserer Diözese in der Aktion "Wege suchen im Gespräch" entfaltet. In den Orientierungshilfen "Unser Weg" ist das dargelegt. Die im ganzen Bistum geforderte und geförderte "kooperative Pastoral" zeigt konkrete Wege auf, die ich hier nicht alle nennen kann.


3. Frage:
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Probleme bzw. die Grenzen dieser Zusammenarbeit?

Antwort:
Probleme entstehen, wenn die besondere Verantwortung der Priester wie der Laien nicht erkannt bzw. nicht beachtet wird.


4. Frage:
In welchen Bereichen findet diese Zusammenarbeit in ihrer Diözese statt, in welchen Bereichen sollte bzw. kann sie ausgebaut werden?

Antwort:
Aufs Ganze gesehen gibt es in unserer Diözese die Zusammenarbeit von Priestern und Laien in allen wichtigen Bereichen des kirchlichen Lebens. Freilich gibt es Unterschiede zwischen den einzelnen Pfarrgemeinden. Hier können alle voneinander lernen. Besonders wichtig ist die Zusammenarbeit im Bereich der Caritas und der Diakonie. Um diese zu fördern wird am 11. Dezember (2002) ein Studientag über diakonische Pastoral gehalten.


5. Frage:

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil, auf die Konzilsbeschlüsse und die Zeit danach: Inwiefern hat sich (unter den Laien und unter den Priestern) das Bewusstsein einem allgemeinem Priestertum anzugehören und inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum verändert?

Antwort:
Seit dem Konzil und der sich anschließenden Würzburger Synode ist das Bewusstsein des gemeinsamen Priestertums und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit erheblich gewachsen. Dennoch ist beides noch nicht hinreichend Gemeingut geworden.


6. Frage:
Glauben Sie, dass den Christen die keine theologische Vorbildung haben, bewusst ist, was das allgemeine Priestertum ist, welche Bedeutung es für den Einzelnen und welche es für die Kirche hat?
 
Antwort:
Um die eigene Berufung zu erkennen, bedarf es keiner speziellen theologischen Ausbildung; sie ergibt sich aus den Grundlagen des Glaubens. Dennoch kann ein gründliches Glaubenswissen (z. B. über die Konzilsaussagen) helfen, die je persönliche Aufgabe besser zu erkennen und zielstrebiger anzugehen. Im Fastenhirtenbrief 2002 "Seht auf eure Berufung" habe ich dazu einiges geschrieben.


7. Frage:
Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat folgende statistische Daten herausgegeben (Vergleichszahlen 2000 gegenüber 1990):

  • Anzahl der Katholiken in der BRD:
  • - 1.435.000

    - 5,1 %

  • im Verhältnis zur gestiegenen Bevölkerungszahl:
  • - 11,7 %

  • Priester im aktiven Dienst:
  • - 2595

    - 17,1 %

  • Diakone im Hauptberuf:
  • + 385

    + 64,9 %

  • Diakone mit Zivilberuf:
  • + 480

    + 52,6 %

  • Pastoralassistent/referent/innen:
  • + 743

    + 20,6 %

  • Gemeindeassistent/referent/innen:
  • + 1200

    + 77,8 %

    Alle Auf- bzw. Abwärtsbewegungen sind keinen großen Schwankungen ausgesetzt, sondern verlaufen linear.
     
    Sind angesichts dieser Zahlen andere Denkmodelle bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum notwendig? Wenn ja, in welche Richtung müssten Sie Ihrer Meinung nach gehen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat oder die Ordination von Frauen?

    Antwort:
    Wenn die Zahl der Priester nicht mehr so groß ist wie früher ist die Mitverantwortung der Laien besonders gefordert. Sie wird in verschiedenen Berufen vielfältig wahrgenommen, Wichtiger als die haupt- und nebenamtlichen Kräfte sind die Laien insgesamt. Sie müssen noch besser für ihre Aufgaben qualifiziert werden. Schlimmer als ein Priestermangel ist ein Gläubigenmangel.


    8. Frage:
    In der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" ist in Kapitel 2 - Vers 10 zu lesen:
    "Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht..."
    In Vers 12 steht weiter: "Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‘teilt den Einzelnen, wie er will' (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden..."

    Es gibt eine ganze Reihe von Pastoralassistent/innen die sowohl eine ebenso fundierte theologische Ausbildung haben wie Amtspriester, als auch spirituelle Gaben. Was spricht eigentlich dagegen, wenn der Bischof (der letztlich über die Echtheit der Geistesgaben urteilt [Lumen Gentium 12]) diese Laien zur Leitung einer Pfarrgemeinde beauftragt, dass diese Laien durch den Bischof "zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zu Feier des Gottesdienstes" (LG 28) ermächtigt werden?

    Antwort:
    Es gibt in der Diözese Laien und Diakone, die offiziell als Pfarrbeauftragte tätig sind. Ihre einzelnen Aufgaben sind jeweils schriftlich festgelegt. In jedem Fall ist die Zusammenarbeit mit einem zuständigen Priester unerlässlich, da dieser allein in der Lage ist, das Bußsakrament und die Krankensalbung zu spenden und der Heiligen Messe vorzustehen.


    9. Frage:
    In anderen christlichen Kirchen scheint das allgemeine Priestertum einen höheren Stellenwert zu haben als in der katholischen Kirche, z.B. in den Freikirchen. Sind Sie ebenfalls dieser Ansicht? Wenn es um eine Annäherung der christlichen Kirchen geht, welche Rolle spielt dabei das unterschiedliche Verständnis von Amtpriestertum und allgemeinem Priestertum?

    Antwort:
    In den orthodoxen und anglikanischen Kirchen wird das besondere Amt in der Nachfolge der Apostel fast genau so gesehen wie in der katholischen Kirche. In den evangelischen Kirchen ist das so nicht der Fall. Das zu klären ist eine der wichtigsten und schwierigsten ökumenischen Aufgaben. Dabei hat sich im offiziellen Dialog mit Vertretern der VELKD gezeigt, dass es hinsichtlich des gemeinsamen Priestertums eine weitgehende Übereinstimmung gibt (siehe Dialogdokument "Communio Sanctorum - Kirche als Gemeinschaft der Heiligen", Seite 64-73).