Karl-Peter Büttner

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Antwort

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Karl-Peter Büttner
stellvertretender Diözesanratsvorsitzender, Würzburg

Das Interview wurde am 20.11.2002 auf Band aufgezeichnet und schriftlich fixiert.

1. Frage:
Im Verständnis der katholischen Kirche sind alle zum allgemeinen Priestertum berufen und mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beauftragt. Die Befähigung hierfür gibt der Hl. Geist "wie er will" (1 Kor 12,11). Im Bild des “Leibes und der vielen Glieder" (1 Kor 12,12-31a) wird deutlich, dass keine Befähigung wichtiger oder wertvoller ist als eine andere. Wenn Eltern ihren Kindern in Liebe begegnen und sie nach christlichen Grundsätzen erziehen, so ist dies ebenso charismatisch und notwendig zum Aufbau der Kirche, wie der Priester, der seine Gemeinde leitet.

Trotzdem gibt es den besonderen Dienst des Amtspriestertums. Seinen Dienst versteht die Kirche als dreifaches Amt Christi: Prophet (Lehramt), Priester (Priesteramt), König (Hirtenamt).

Ist dies nicht eigentlich ein Widerspruch?

Antwort:
Man könnte es zunächst meinen, aber ich denke es ist eigentlich kein Widerspruch. Denn in der Bibel und in der Urgemeinde, zumindest wenn ich in die Apostelgeschichte schaue, gab es ja die Apostel, die auch andere mit bestimmten Aufgaben betraut haben - Aufgaben als Dienste. Wenn ich diese verschiedenen Dienste sehe, die nun auch einmal nötig sind in einer Gemeinde, so ist es für mich kein Widerspruch, dass jeder seinen Dienst dort tut, wo er ihn am besten tun kann. Manche eben mehr, die dann vielleicht auch von der Gemeinde unterhalten, bezahlt werden, die quasi hauptamtlich dafür da sind und andere eben im Bereich ihres Priestertums, dessen sie durch die Taufe und durch die Firmung angehörig sind. Wenn ich es also als verschiedene Dienste sehe, die für den Aufbau des Reiches Gottes zu arbeiten haben, sehe ich dann vom biblischen her keinen Widerspruch mehr. Und auch schon selbst in den Evangelien sieht es so aus, dass auch die Jüngerschaft Jesu mehr oder weniger intensiv in der Nähe zu ihm war oder an der Ausbreitung und am Aufbau des Reiches Gottes beteiligt waren. Insofern sehe ich von der Urgemeinde her und von der Bibel her in dieser Trennung - ich würde es eigentlich gar nicht als Trennung sehen - in der Ergänzung, in der Zuordnung aufeinander, eigentlich keinen Widerspruch.


2. Frage:
Worin sehen Sie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum?

Antwort:
Ich möchte da ein Bild gebrauchen: Ich sehe das Reich Gottes und die Kirche als zwei Seiten einer Medaille, die beide ihre Aufgabe haben, aber ganz eng zusammengehören. Wie ich es schon in der Antwort auf die erste Frage angedeutet habe, ist es für mich wichtig, dass die Kleriker ihren Dienst wirklich als Dienst sehen, weniger als Amt. Also nicht so, dass ein Kleriker, der mit der Gabe der Weihe ausgestattet ist, besonders hervorgehoben wird, sondern er ist hineingerufen in einen besonderen Dienst. Und das ist, denke ich, manchmal in der Geschichte etwas weit, weit nach hinten gedrängt worden. Erst in der jüngsten Zeit wird es wieder etwas mehr in den Blick genommen. Und wenn ich das so sehe, dann gibt es da sicher sehr sehr gute Ansatzpunkte der Zusammenarbeit und auch der Gemeinschaft. Denn Gemeinschaft, Communio zwischen allen Diensten, zwischen allen in der Kirche, das ist mit das Wichtigste und Nötigste, wenn die Kirche weiter überleben will.


3. Frage:
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Probleme bzw. die Grenzen dieser Zusammenarbeit?

Antwort:
Ich habe es schon angesprochen: Probleme gibt es immer dort, wo ein Amt sich zu sehr hierarchisch definiert und weniger als Dienst. Wo die Rollen vielleicht auch nicht genügend geklärt sind. Zur Zeit sind wir, so glaube ich, in einer Klärungsphase und solche Prozesse sind immer sehr schwierig. Dort, wo das Amt überbetont wird können sich vielleicht Charismen anderer nicht entfalten, werden Charismen anderer zu sehr eingeschränkt. Außerdem gibt es dann noch sehr häufig die Differenzen zwischen den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen. Das kommt in der letzten Zeit immer öfter hinzu. Ich denke, die Probleme liegen heute z.T. weniger zwischen den Klerikern und den Nichtklerikern, als zwischen den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen.


4. Frage:
In welchen Bereichen findet diese Zusammenarbeit in ihrer Diözese statt, in welchen Bereichen sollte bzw. kann sie ausgebaut werden?

Antwort:
Ich glaube ganz gute Zusammenarbeit gibt es im weiten Feld der Diakonie oder der Sonderseelsorge. Wenn ich z.B. in die Krankenhausseelsorge schaue, da ist oft kein großer Unterschied in der Wahrnehmung. Kommt da nun ein Gemeindereferent oder ein Pastoralreferent als Vertreter der Kirche zu mir ans Krankenbett, erkundigt sich nach mir, bringt mir Stärkung oder kommt ein Priester. Schwierigkeiten glaube ich gibt es immer noch in dem Bereich der Gemeinden, obwohl auch da sich schon sehr sehr viel getan hat. Es gibt die Pastoralteams und es gibt den Pfarrgemeinderat. Die beiden sollten sich wirklich ergänzen und sollten sich gegenseitig annehmen. Probleme gibt es da, wo z.B. Pfarrgemeinderäte ausgeschaltet werden in die Planungsphase, in die ganze Überlegungsphase. Wo Charismen, Fähigkeiten von Leuten einfach verloren gehen. Ich muss die Gemeindemitglieder, Vertreter der Gemeinde, die Ehrenamtlichen frühzeitig miteinbeziehen in die ganze Planung, dann treten Schwierigkeiten erst gar nicht auf.


5. Frage:

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil, auf die Konzilsbeschlüsse und die Zeit danach: Inwiefern hat sich (unter den Laien und unter den Priestern) das Bewusstsein einem allgemeinem Priestertum anzugehören und inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum verändert?

Antwort:
Ich glaube vor dem Konzil - ich kann mich noch sehr gut daran erinnern und so sind wir auch noch erzogen worden - war ein ganz strenges hierarchisches Denken noch da. Der Pfarrer war nicht nur eine Person, sondern auch eine Institution. Diese klare Hierarchie zwischen Priester und Laien war schon sehr ausgeprägt. Persönlich gab es manchmal gute Kontakte, aber es war klar getrennt. Ich glaube durch diese ganze Entwicklung, die dann mit der neuen Sicht der Kirche als ein Volk Gottes durch das Konzil eingesetzt hat, ist diese Trennung immer geringer geworden. Sie baut sich ab. Sie hat sich noch nicht ganz abgebaut, aber sie baut sich ab. Offene Kommunikation ist möglich. Offene Kommunikation wird gefordert und die Gemeinschaft aller Glaubenden wird zumindest verbal immer wieder auch in der Verkündigung herausgestellt und ist auch schon, nicht nur verbal, sondern durchaus auch bei manchen verinnerlicht und das ist schon ein Zeichen der Hoffnung.


6. Frage:
Glauben Sie, dass den Christen die keine theologische Vorbildung haben, bewusst ist, was das allgemeine Priestertum ist, welche Bedeutung es für den Einzelnen und welche es für die Kirche hat?
 
Antwort:
Ich glaube, sie können mit dem Begriff wahrscheinlich nicht sehr viel anfangen. Dass es so etwas gibt, dass also das Inhaltliche ihnen schon bewusster geworden ist, das vielleicht. Möglicherweise angestoßen durch das Projekt: Wege suchen im Gespräch. Ich sehe da sehr gute Beispiele: Kollegen aus den Dekanaten auf dem Land sagen z.B.: "Ohne uns geht es gar nicht mehr. Wir sind gefordert. Wir müssen oft sagen wie es lang geht. Wir müssen Gemeinde zusammenhalten." Ein anderes Beispiel aus der Stadt, wo man von Pfarrgemeinderäten hört, dass in Seelsorgebezirken Kooperation und Zusammenhalt gewachsen ist. Vor allen Dingen in den Pfarreien, wo eine Pfarrstelle über Monate oder auch ein ganzes Jahr vakant ist, begreifen viele: Es kommt auf mich an! Es kommt weniger darauf an, ob ein ernannter Gemeindeleiter da ist, sondern vielmehr kommt es auf die Gemeinde selbst an. Dieses Bewusstsein ist in den letzten 10 bis 15 Jahren sehr stark angewachsen und ich denke, das ist ein Weg in die richtige Richtung.


7. Frage:
Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat folgende statistische Daten herausgegeben (Vergleichszahlen 2000 gegenüber 1990):

  • Anzahl der Katholiken in der BRD:
  • - 1.435.000

    - 5,1 %

  • im Verhältnis zur gestiegenen Bevölkerungszahl:
  • - 11,7 %

  • Priester im aktiven Dienst:
  • - 2595

    - 17,1 %

  • Diakone im Hauptberuf:
  • + 385

    + 64,9 %

  • Diakone mit Zivilberuf:
  • + 480

    + 52,6 %

  • Pastoralassistent/referent/innen:
  • + 743

    + 20,6 %

  • Gemeindeassistent/referent/innen:
  • + 1200

    + 77,8 %

    Alle Auf- bzw. Abwärtsbewegungen sind keinen großen Schwankungen ausgesetzt, sondern verlaufen linear.
     
    Sind angesichts dieser Zahlen andere Denkmodelle bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum notwendig? Wenn ja, in welche Richtung müssten Sie Ihrer Meinung nach gehen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat oder die Ordination von Frauen?

    Antwort:
    Ich denke, das ist wirklich ein theologisches Problem, dem sich auch die Kirche einmal stellen wird. Ich glaube viele Unsicherheiten in diesem Bereich kommen daher, dass man oftmals selbst nicht weiß, was man eigentlich will. Ein Beispiel: Kommt es mir darauf an, dass sich die Gemeinde am Tag des Herrn um den Altar sammelt ist um Eucharistie zu feiern? Ist mir das theologisch, von meinem Verständnis christlicher Gemeinde her, ein sehr sehr wichtiges Anliegen? Wenn mir das ein wichtiges Anliegen ist und ich das Ziel habe, dass möglichst jede Gemeinde sich um den Altar versammeln können soll, dann muss ich das auch irgendwie sicherstellen. Dann muss ich mich auch fragen: Gibt es auf Grund kirchrechtlicher Festlegungen, traditioneller Entwicklungen, Ausgrenzungen von Charismen? Gibt es Männer die verheiratet sind und durchaus auch das Charisma hätten als geweihter Priester am Altar zu stehen, den Dienst als Priester zu tun - hauptamtlich oder auch nebenamtlich? Wenn es sie gibt, warum grenze ich sie dann aus? Diese Frage muss ich mir dann stellen. Welches Gut ist mir höher: Das Gut des Zölibats, das durchaus auch seinen Sinn hat, oder dass nur Männer geweiht werden, weil dies in der Tradition der Kirche von Anfang an so war. Ist dies wirklich theologisch begründbar? Diese Frage stelle ich mir und hier diskutiere ich sicher offener als dies die Glaubenskongregation von Rom wünscht, wo es heißt, die Frage sei ein für alle mal entschieden. Eine Aussage darüber, ob der Zölibat oder auch die Ordination der Frau ein für alle mal entschieden sei, geht an der Geschichte der Kirche, an der Ausrichtung der Kirche und an der Heiligen Schrift vorbei. Ganz egal wer diese Aussage macht. Ich muss offen sein. Ich muss einfach wissen: Was braucht Gemeinde, was braucht unsere Welt in unserer Zeit, damit das Reich Gottes wieder weiter wachsen kann? Danach muss ich dann meine Prioritäten setzen und möglicherweise liebgewordene Grenzen überspringen oder aufgeben.


    8. Frage:
    In der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" ist in Kapitel 2 - Vers 10 zu lesen:
    "Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht..."
    In Vers 12 steht weiter: "Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‘teilt den Einzelnen, wie er will' (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden..."

    Es gibt eine ganze Reihe von Pastoralassistent/innen die sowohl eine ebenso fundierte theologische Ausbildung haben wie Amtspriester, als auch spirituelle Gaben. Was spricht eigentlich dagegen, wenn der Bischof (der letztlich über die Echtheit der Geistesgaben urteilt [Lumen Gentium 12]) diese Laien zur Leitung einer Pfarrgemeinde beauftragt, dass diese Laien durch den Bischof "zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zu Feier des Gottesdienstes" (LG 28) ermächtigt werden?

    Antwort:
    Dagegen spricht, wenn man es kurz beantworten will, nichts. Dies wurde ja auch inzwischen in unserer Diözese angegangen durch die Konstruktion des Pfarrbeauftragten: theologisch ausgebildete, pastoral erfahrene Frauen und Männer, die mit der faktischen Leitung der Gemeinde beauftragt sind. Ich denke, das ist ein richtiger Weg, der auch erkannt wird. Wenn es aber die Kirche als Weltkirche in ihrer Tradition noch nicht verkraftet, so müssen wir eben damit leben, dass es außerdem einen letztverantwortlichen Priester gibt, der diese Gemeinden letztverantwortlich leitet. Ob allerdings nur solche geweiht werden können wie dies zur Zeit die Weihevoraussetzungen vorsieht, da kann man ein Fragezeichen setzen.


    9. Frage:
    In anderen christlichen Kirchen scheint das allgemeine Priestertum einen höheren Stellenwert zu haben als in der katholischen Kirche, z.B. in den Freikirchen. Sind Sie ebenfalls dieser Ansicht? Wenn es um eine Annäherung der christlichen Kirchen geht, welche Rolle spielt dabei das unterschiedliche Verständnis von Amtpriestertum und allgemeinem Priestertum?

    Antwort:
    Ich habe in der ökumenischen Zusammenarbeit die Erfahrung gemacht, dass es Unterschiede gibt. Sie sind allerdings nicht so groß, wie es zunächst den Anschein hat. Ich glaube das Hauptproblem in dieser Frage der Ökumene ist das Sakramentenverständnis, weil bei vielen Kirchen, gerade auch bei Freikirchen, die Weihe nicht als ein Sakrament anerkannt ist. Wenn wir von einer sakramentalen Weihe ausgehen, die letztlich auf Christus zurück geht, so gibt es schon diese Unterschiede. Ich glaube das große theologische Problem, das in der Ökumene angegangen werden muss besteht darin: Welche Sichtweisen sind beim Verständnis von allgemeinem und Weihepriestertum möglich um aufeinander zuzugehen? Ich glaube aber, dass dies auch weiterhin noch ein großes Problem bleibt. Allerdings auf Grund meiner Erfahrungen mit der evangelischen Kirche, habe ich nicht das Gefühl, dass es keine Unterschiede gibt zwischen dem Pfarrer und dem Volk. Ich habe da Gemeinden kennen gelernt, wo es eine sehr starke Pfarrerzentrierung gibt. Nach dem Motto: Wenn ich jemanden für die Kirche sprechen lassen will, so soll dies ein ordinierter, ein Pfarrer sein. Dies habe ich immer wieder erlebt. Früher habe ich mir das auch anders vorgestellt.