Dekan Werner Schwarzkopf

Frage

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Antwort

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Werner Schwarzkopf
Dekan des Dekanats Aschaffenburg West,
Pfarrer der Pfarrei Maria Rosenkranz Königin, Stockstadt

Das Interview wurde am 14.11.2002 auf Band aufgezeichnet und schriftlich fixiert.

1. Frage:
Im Verständnis der katholischen Kirche sind alle zum allgemeinen Priestertum berufen und mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beauftragt. Die Befähigung hierfür gibt der Hl. Geist "wie er will" (1 Kor 12,11). Im Bild des “Leibes und der vielen Glieder" (1 Kor 12,12-31a) wird deutlich, dass keine Befähigung wichtiger oder wertvoller ist als eine andere. Wenn Eltern ihren Kindern in Liebe begegnen und sie nach christlichen Grundsätzen erziehen, so ist dies ebenso charismatisch und notwendig zum Aufbau der Kirche, wie der Priester, der seine Gemeinde leitet.

Trotzdem gibt es den besonderen Dienst des Amtspriestertums. Seinen Dienst versteht die Kirche als dreifaches Amt Christi: Prophet (Lehramt), Priester (Priesteramt), König (Hirtenamt).

Ist dies nicht eigentlich ein Widerspruch?

Antwort:
Ich denke der Widerspruch hebt sich auf im Bild des Leibes und der Glieder. Es ist richtig, dass man jetzt, im Unterschied zu früher, nicht mehr sagt, dass der eine mehr wert ist als der andere.  Aber dass es eben auch den Aspekt der Leitung gibt. Ich denke man kann sagen, das ist von Christus auch gewollt. Die genaue Ausdifferenzierung ist sicher dann eine geschichtliche Entwicklung, aber Christus beruft aus dem Himmelreich die Apostel, das denke ich, ist die Grundlegung für ein besonderes Amt.


2. Frage:
Worin sehen Sie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum?

Antwort:
Es gibt sehr viele Möglichkeiten. Wenn zum Beispiel die Kindererziehung in Ihrem Beispiel angesprochen ist, dann ist das sicherlich zuerst einmal Elternaufgabe, die ihnen auch niemand abnehmen kann. Das Amt unterstützt dies in gewisser Weise auch. Ich denke jetzt an Kommunionkinder, Sakramentenhinführung und solche Sachen. Aber die Verkündigung an die Kinder, da sind die Eltern die ersten, vielleicht sogar wichtiger, zumindest in der Lebensgeschichte eines Menschen. Ein weiteres Beispiel sind die Institutionalisierungen nach dem II. Vatikanischen Konzil.
Die Verbände innerhalb der Kirche oder Gremien, wie der Pfarrgemeinderat usw., sie wurden eingerichtet, um noch mehr zu strukturieren. Ich denke im Prinzip hat es das schon immer gegeben. Die Frage ist vielleicht mehr wie das Zusammenspiel gelingt. Da gibt es sicher auch immer noch Entwicklungsbedarf. Ich meine, wie der Pfarrgemeinderat sich versteht und wie das zusammengeht zwischen Pfarrer und Pfarrgemeinderat. Ich denke da hat sich vieles zum Guten entwickelt. Da wird es trotzdem aber auch immer wieder Reibungen geben. Die Spannung zwischen Amt und Charisma findet man ja schon im Neuen Testament - Paulus und Petrus -  insofern ist das auch ein Bereich, wo man sagt da muss sich die Kirche weiterentwickeln und muss sich auf ihre Zeit hin einstellen.


3. Frage:
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Probleme bzw. die Grenzen dieser Zusammenarbeit?

Antwort:
Wie schon gesagt, in den Fragen: Was ist wessen Aufgabe, und wie spielt das zusammen? Wobei ich den Eindruck habe, dass momentan die Unklarheit besonders groß ist. Bis zum Konzil war das alles genau geregelt. Man wusste, welche Aufgaben der Priester hatte. Sicher war nicht alles optimal geregelt, das hat man auch geändert. Manchmal hat aber man auch den Eindruck, dass sich manche Sachen herausnehmen, die sie doch besser bleiben lassen sollten. Andererseits denke ich,  dass das Amt jetzt zu ängstlich ist. Mir fällt da als Beispiel ein Seminar über Buße und Umkehr ein. Da fragten Leute: ‘Wo ist da jetzt Sünde?' Und der Referent hat geantwortet, dass dies das Gewissen entscheidet. Ich finde da ist man von Seiten des Amtes her den Leuten etwas schuldig geblieben. Ich denke ein Stück mehr dürfen wir schon sagen was Sache ist -  was Gottes Wille ist.

Ich will jetzt nicht in frühere Zeiten zurückfallen, als man zu den Leuten sagte: So, ist es und fertig. Aber manchmal habe ich den Eindruck, man ist momentan zu sehr ins andere Extrem gerutscht. Zum Beispiel im liturgischen Bereich. Ich bekomme zur Gottesdienstgestaltung manchmal Ansinnen von Leuten die guten Willens sind, bei denen ich sagen muss: ‘Nein, das kann man nicht machen. Das passt einfach nicht zur Messe. Das geht zu weit oder führt zu weit weg' usw. Da bekomme ich dann manchmal zu hören, dass dies bei anderen Pfarrern möglich ist. Und da denke ich eben, dass der Priester sagen müsste: ‘So und so sind die liturgischen Vorschriften und da können wir nicht drüber rausgehen. Da müssen wir daran festhalten, nicht weil es Vorschrift ist, sondern weil es sinnvoll ist.' Dies wäre jetzt ein Beispiel wo man manchmal auch von der Amtseite her zu ängstlich ist.


4. Frage:
In welchen Bereichen findet diese Zusammenarbeit in ihrem Dekanat statt, in welchen Bereichen sollte bzw. kann sie ausgebaut werden?

Antwort:
Es gibt den Dekanatsrat, der ähnlich wie der Pfarrgemeinderat funktioniert. Möglicherweise ist in anderen Dekanaten mehr los. Ich denke aber, die Hauptarbeit geschieht in den Pfarreien. Man könnte denken, der Dekan hat im allgemeinen noch ein sehr gutes Ansehen, wie der feierliche Titel vermuten lässt. Doch in der Praxis ist davon wenig zu spüren. Das Dekanat ist eine Austauschebene, zum Erfahrungsaustausch, nach dem Motto: ‘Was macht ihr in der Pfarrei? -  Wir machen das so.' Es geht um gegenseitige Hilfe und Ideen. Und dann gibt es noch den Dies, also die Hauptamtlichen, die sich regelmäßig treffen. In den meisten Dekanaten ist das monatlich, bei uns inzwischen auch. Da sind auch die hauptamtlichen Laien dabei, die Pastoral- und Gemeindereferenten und ähnliche. Und auch hier liegt meiner Meinung nach der Schwerpunkt im Erfahrungsaustausch.


5. Frage:

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil, auf die Konzilsbeschlüsse und die Zeit danach: Inwiefern hat sich (unter den Laien und unter den Priestern) das Bewusstsein einem allgemeinem Priestertum anzugehören und inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum verändert?

Antwort:
Ich glaube schon, dass sich das verändert hat. Man hat früher dem Pfarrer sehr viel mehr Aufgaben zugedacht. Ich denke da besonders an die Kinder, z.B. die Kommunionvorbereitung oder ganz allgemein die Sakramentenvorbereitung. Das war, und ist heute für einige Leute noch immer, die Aufgabe des Pfarrers. Auch in der Gemeindekatechese, glaube ich, hat sich die Euphorie die man anfangs hatte,  nicht ganz bestätigt. Trotzdem hat es viel für sich. Ich denke, es hat sich schon viel geändert.


6. Frage:
Glauben Sie, dass den Christen die keine theologische Vorbildung haben, bewusst ist, was das allgemeine Priestertum ist, welche Bedeutung es für den Einzelnen und welche es für die Kirche hat?
 
Antwort:
Also in einem etwas wagen Sinn sicher. Z.B. wenn gesagt wird: "Heute haben wir mehr zu sagen in der Kirche und können mehr machen, z. B. Kommunionhelfer und ähnliches." Eine vertiefte Bedeutung allerdings, die Verbindung mit Christus, da habe ich den Eindruck, scheint das Verständnis rückläufig. Die zurückgehende Kirchenbesucherzahl scheint ein Zeichen dafür zu sein, denn das denke ich gehört auch zum Allgemeinen Priestertum. Es gründet ja in der Verbindung mit Christus, Taufe und so weiter, und diese Verbindung sollte auch gepflegt werden. Da scheint mir ein Defizit zu sein, insofern  ist das Bewusstsein förderungsbedürftig, um es einmal so zu nennen.


7. Frage:
Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat folgende statistische Daten herausgegeben (Vergleichszahlen 2000 gegenüber 1990):

  • Anzahl der Katholiken in der BRD:
  • - 1.435.000

    - 5,1 %

  • im Verhältnis zur gestiegenen Bevölkerungszahl:
  • - 11,7 %

  • Priester im aktiven Dienst:
  • - 2595

    - 17,1 %

  • Diakone im Hauptberuf:
  • + 385

    + 64,9 %

  • Diakone mit Zivilberuf:
  • + 480

    + 52,6 %

  • Pastoralassistent/referent/innen:
  • + 743

    + 20,6 %

  • Gemeindeassistent/referent/innen:
  • + 1200

    + 77,8 %

    Alle Auf- bzw. Abwärtsbewegungen sind keinen großen Schwankungen ausgesetzt, sondern verlaufen linear.
     
    Sind angesichts dieser Zahlen andere Denkmodelle bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum notwendig? Wenn ja, in welche Richtung müssten Sie Ihrer Meinung nach gehen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat oder die Ordination von Frauen?

    Antwort:
    Ja, wir sind mit Sicherheit mitten in einem Umbruch, der noch lange nicht am Ende ist. Allerdings ist
    das keine Sache der letzten zwei, drei Jahrzehnte, sondern das ist schon seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zu beobachten. Das war bei uns in Deutschland durch die Nazizeit im Krieg unterbrochen und nach dem Krieg waren dann die Kirchen voll, aber die Tendenz gibt es schon seit Beginn des Jahrhunderts.

    Aber zurück zur Frage. Ich glaube nicht, dass es der Kirche dienlich wäre, wenn der Zölibat für die Priester aufgerhoben würde. Wobei ich es nicht definitiv weiß. Man muss darüber nachdenken und darüber reden. Doch ich sehe, dass es auf der evangelischen Seite andere Probleme gibt. Wenn da Ehen von Pfarrern auseinander gehen, fragt man sich schon, ob damit etwas gewonnen ist.

    Die Diözese bei uns versucht ja mit den Pfarrbeauftragten einen neuen Weg zu gehen. Man gibt Laien Leitungsfunktionen. Das aber ist eine Gratwanderung, was die Diözese selber sagt. Wir versuchen es einmal und versuchen Ehrfahrung zu sammeln. Es soll jetzt keine Festlegung sein, sondern ein Versuch, wie man mit den Priestermangel umgehen kann.


    8. Frage:
    In der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" ist in Kapitel 2 - Vers 10 zu lesen:
    "Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht..."
    In Vers 12 steht weiter: "Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‘teilt den Einzelnen, wie er will' (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden..."

    Es gibt eine ganze Reihe von Pastoralassistent/innen die sowohl eine ebenso fundierte theologische Ausbildung haben wie Amtspriester, als auch spirituelle Gaben. Was spricht eigentlich dagegen, wenn der Bischof (der letztlich über die Echtheit der Geistesgaben urteilt [Lumen Gentium 12]) diese Laien zur Leitung einer Pfarrgemeinde beauftragt, dass diese Laien durch den Bischof "zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zu Feier des Gottesdienstes" (LG 28) ermächtigt werden?

    Antwort:
    Nun, das kann der Bischof nicht von sich aus. Das ist eine gesamtkirchliche Frage, die dann auf der Ebene der gesamten Kirche geklärt werden müsste. Er kann weder kurz- noch mittelfristig Änderungen machen. In anderen Ländern ist die Problematik noch schwieriger. Man hat dort andere Methoden entwickelt, z.B. in Lateinamerika oder Afrika. Da kommt der Pfarrer nur etwa alle viertel Jahre und feiert eine Messe, und ansonsten treffen sie sich zu dem, was wir jetzt als Wortgottesdienstfeier eingeführt haben. Wobei sich da, wie ich kürzlich gehört habe, die Grenzen mitunter auch verwischen. Wortgottesfeiern werden so gestaltet, dass der Unterschied zur Messe nicht mehr recht deutlich wird. Und das ist vielleicht dann doch nicht ganz das Richtige.


    9. Frage:
    In anderen christlichen Kirchen scheint das allgemeine Priestertum einen höheren Stellenwert zu haben als in der katholischen Kirche, z.B. in den Freikirchen. Sind Sie ebenfalls dieser Ansicht? Wenn es um eine Annäherung der christlichen Kirchen geht, welche Rolle spielt dabei das unterschiedliche Verständnis von Amtpriestertum und allgemeinem Priestertum?

    Antwort:
    Meiner Ansicht nach ist das genau der Knackpunkt. Hier unterscheiden wir uns ganz wesentlich, wenn wir sagen: Es gibt dieses besondere Amt, das eben auch besondere Aufgaben und Vollmachten hat, neben dem allgemeinen Priestertum. Ich denke aber, dadurch, dass in den anderen Kirchen das allgemeine Priestertum so betont wird, hat es bei uns auch einen höheren Stellenwert bekommen. Insofern ist vielleicht ein Berührungspunkt da. Aber ich glaube wir können das besondere Amt als katholische Kirche nicht aufgeben - uns als katholische Kirche nicht aufgeben - indem wir sagen, das Amtspriestertum war ein Irrtum. Ich selber würde zum Beispiel auch nicht mitmachen.