Günther Wesner

Frage

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Antwort

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Günther Wesner
keine Bindung an die "Amtskirche"

Das Interview wurde am 26.11.2002 auf Band aufgezeichnet und schriftlich fixiert.

1. Frage:
Im Verständnis der katholischen Kirche sind alle zum allgemeinen Priestertum berufen und mit der Verkündigung der christlichen Botschaft beauftragt. Die Befähigung hierfür gibt der Hl. Geist "wie er will" (1 Kor 12,11). Im Bild des “Leibes und der vielen Glieder" (1 Kor 12,12-31a) wird deutlich, dass keine Befähigung wichtiger oder wertvoller ist als eine andere. Wenn Eltern ihren Kindern in Liebe begegnen und sie nach christlichen Grundsätzen erziehen, so ist dies ebenso charismatisch und notwendig zum Aufbau der Kirche, wie der Priester, der seine Gemeinde leitet.

Trotzdem gibt es den besonderen Dienst des Amtspriestertums. Seinen Dienst versteht die Kirche als dreifaches Amt Christi: Prophet (Lehramt), Priester (Priesteramt), König (Hirtenamt).

Ist dies nicht eigentlich ein Widerspruch?

Antwort:
Für mich ist das kein Widerspruch, ich sehe es als ganz klare Regelung. So wie ich einen Chef habe, so ist der Priester eben der Chef in der Kirche. Er hat bestimmte Aufgaben, die er wahrnimmt und das finde ich in Ordnung. Das ist für mich kein Widerspruch. Als Beispiel möchte ich die Führungsaufgaben nennen. Irgendjemand muss immer führen, man kann nicht alles sich selbst überlassen, denn das endet dann im Chaos. Einer muss sagen: "Das ist unser Ziel, das wollen wir erreichen", oder "das sind die Aufgaben, die Ideen, die Visionen und die packen wir jetzt an."


2. Frage:
Worin sehen Sie die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum?

Antwort:
Da ich ein "fachlicher Laie" bin, habe ich mir da ganz wenige Gedanken gemacht, aber ich sehe schon die Möglichkeit, dass allgemeines und Amtspriestertum zusammen gehen können, dass beide sich ergänzen können. Der Amtspriester müsste immer wieder Gesprächszeiten anbieten, damit es Möglichkeiten zum Austausch gibt.


3. Frage:
Worin liegen Ihrer Meinung nach die Probleme bzw. die Grenzen dieser Zusammenarbeit?

Antwort:
Ich akzeptiere die Kirche, so wie sie im Moment funktioniert. Aber für mich ist die Kirche zu anonym, zu autoritär. Sie steht alleine da, wirkt im Hintergrund, will zu den Gläubigen hin. Aber ich fühle mich da nicht angesprochen. Nicht so sehr, dass ich der Meinung bin, ich müsse mich groß engagieren.


4. Frage:
In welchen Bereichen findet diese Zusammenarbeit in ihrer Pfarrei statt, in welchen Bereichen sollte bzw. kann sie ausgebaut werden?

Antwort:
Eigentlich gar nicht. Genau das sehe ich als große Lücke oder Kommunikationsstörung an. Es wird nicht gut genug kommuniziert, damit alle Bürger das Gefühl haben sie sollen alle mitarbeiten. Das drückt sich nur in den Briefen, die ich teilweise bekomme, in den Kirchennachrichten oder auch in den Spendenaufrufen aus. Nur darin fühle ich mich angesprochen. "Du bist berufen, du bist aufgefordert mitzumachen, kannst dein Priestertum als Laie wahrnehmen" das habe ich weder schriftlich noch mündlich gehört. Allerdings liegt die Problematik auf beiden Seiten. Auch ich, als jemand der der Kirche nicht so nahe steht, habe "Schuld" weil ich diese Zusammenarbeit nicht wahrnehme. Es ist ein Informationsdefizit auf beiden Seiten, insofern, dass von der Kirche nicht kommt: "Du bist mit dabei, du bist auch katholisch, du kannst mitpraktizieren, du kannst mitkommunizieren, du kannst Dinge bewegen." Das ist als Botschaft nicht rübergekommen.


5. Frage:

Wenn Sie zurückblicken auf die Zeit vor dem 2. Vatikanischen Konzil, auf die Konzilsbeschlüsse und die Zeit danach: Inwiefern hat sich (unter den Laien und unter den Priestern) das Bewusstsein einem allgemeinem Priestertum anzugehören und inwieweit hat sich die Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum verändert?

Antwort:
Ich habe von dem Konzil gehört. Aber die Inhalte, die Ziele, die Themen, wer dazu befragt wurde, welche Meinungen Einfluss auf das Konzil genommen haben, das alles habe ich nicht mitbekommen. Auch im Religionsunterricht wurde nicht darüber gesprochen. Ich weiß auch nicht, von wem das ausging. Sind praktizierende Katholiken mit einbezogen worden oder Menschen allgemein. Auch davon habe ich nichts gehört. Ich habe nur gehört, dass es das Konzil gab um Veränderungen in der Kirche zu bewirken. Die einzige Veränderung die ich wahrgenommen habe, aber ich weiß nicht ob sie mit dem Konzil zusammenhängt, ist die Tatsache, dass der Gottesdienst in deutsch statt in lateinisch gehalten wird.


6. Frage:
Glauben Sie, dass den Christen die keine theologische Vorbildung haben, bewusst ist, was das allgemeine Priestertum ist, welche Bedeutung es für den Einzelnen und welche es für die Kirche hat?
 
Antwort:
Wenn allgemeines Priestertum bedeutet, dass ich Mitmenschen helfe und mit Rat und Tat zur Seite stehe, ohne etwas dafür zu erwarten, so verstehe ich das. Ich denke es gibt viele Menschen, die so handeln, ohne sich zu einer Kirche zu bekennen.


7. Frage:
Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat folgende statistische Daten herausgegeben (Vergleichszahlen 2000 gegenüber 1990):

  • Anzahl der Katholiken in der BRD:
  • - 1.435.000

    - 5,1 %

  • im Verhältnis zur gestiegenen Bevölkerungszahl:
  • - 11,7 %

  • Priester im aktiven Dienst:
  • - 2595

    - 17,1 %

  • Diakone im Hauptberuf:
  • + 385

    + 64,9 %

  • Diakone mit Zivilberuf:
  • + 480

    + 52,6 %

  • Pastoralassistent/referent/innen:
  • + 743

    + 20,6 %

  • Gemeindeassistent/referent/innen:
  • + 1200

    + 77,8 %

    Alle Auf- bzw. Abwärtsbewegungen sind keinen großen Schwankungen ausgesetzt, sondern verlaufen linear.
     
    Sind angesichts dieser Zahlen andere Denkmodelle bezüglich der Zusammenarbeit zwischen Amtspriestertum und allgemeinem Priestertum notwendig? Wenn ja, in welche Richtung müssten Sie Ihrer Meinung nach gehen? Welche Rolle spielt dabei die Diskussion über den Zölibat oder die Ordination von Frauen?

    Antwort:
    Angesichts der Zahlen zeigt sich ganz deutlich, dass niemand sich in so ein "Korsett" zwingen lassen will, dass man als Priester zwar bestimmte Privilegien aber auch viele Pflichten hat. Ich denke, dass die Anzahl der "Laien-Priester" deshalb so gestiegen ist, weil sie einerseits die Pflichten der aktiven Priester sehen, andererseits aber auch ihre Ideen und Auffassungen weitergeben möchten. Deshalb bin ich der Ansicht, dass da etwas zu verändern ist. Man muss offener, flexibler und kreativer werden. Der Zölibat ist schon ein Riesenproblem. Jeder Mensch hat ein Geschlecht, das er ausleben können sollte. Das wird aber durch den Zölibat unterdrückt. Sinn machte es vielleicht noch im Dritten Reich. Als Priester gegen den Nationalsozialismus gesprochen haben, mussten sie nicht befürchten, dass ihre Frauen und Kinder Probleme bekamen. Damals war der Zölibat ein Riesenvorteil, aber in der heutigen Zeit hat sich das meiner Meinung nach überholt. Und im Zuge der Gleichberechtigung gehören auch die Frauen dran, d.h. wenn alle gleich sind, dann darf das jeder wahrnehmen, sowohl Männer als auch Frauen.


    8. Frage:
    In der "Dogmatischen Konstitution über die Kirche" ist in Kapitel 2 - Vers 10 zu lesen:
    "Durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist werden die Getauften zu einem geistigen Bau und einem heiligen Priestertum geweiht..."
    In Vers 12 steht weiter: "Derselbe Heilige Geist heiligt außerdem nicht nur das Gottesvolk durch die Sakramente und die Dienstleistungen, er führt es nicht nur und bereichert es mit Tugenden, sondern ‘teilt den Einzelnen, wie er will' (1 Kor 12,11), seine Gaben aus und verteilt unter den Gläubigen jeglichen Standes auch besondere Gnaden..."

    Es gibt eine ganze Reihe von Pastoralassistent/innen die sowohl eine ebenso fundierte theologische Ausbildung haben wie Amtspriester, als auch spirituelle Gaben. Was spricht eigentlich dagegen, wenn der Bischof (der letztlich über die Echtheit der Geistesgaben urteilt [Lumen Gentium 12]) diese Laien zur Leitung einer Pfarrgemeinde beauftragt, dass diese Laien durch den Bischof "zur Verkündigung der Frohbotschaft, zum Hirtendienst an den Gläubigen und zu Feier des Gottesdienstes" (LG 28) ermächtigt werden?

    Antwort:
    Da spricht eigentlich nichts dagegen. Es wäre eine logische Fortentwicklung der Kirche, was im Konzil schon als Idee entwickelt wurde. Das wäre eine tolle Sache auf der ganzen Linie. Wenn der Bischof erkennt, durch selektive Gespräche, dieser Mensch hat derart gute Ideen oder Fähigkeiten, oder geistige Motivation, der kann ein solches Amt ausüben, warum nicht. Das wäre eigentlich die ideale Auswahl. So wie es in der freien Marktwirtschaft bereits geschieht: Unterlagen und das persönliche Gespräch sind entscheidend. Wenn das der Bischof machen würde und sagen würde, das ist der prädestinierte Kandidat diese Gemeinde zu leiten, dann fände ich, das wäre eine echte Weiterentwicklung.


    9. Frage:
    In anderen christlichen Kirchen scheint das allgemeine Priestertum einen höheren Stellenwert zu haben als in der katholischen Kirche, z.B. in den Freikirchen. Sind Sie ebenfalls dieser Ansicht? Wenn es um eine Annäherung der christlichen Kirchen geht, welche Rolle spielt dabei das unterschiedliche Verständnis von Amtpriestertum und allgemeinem Priestertum?

    Antwort:
    Meines Erachtens wäre es eine Fortentwicklung der katholischen Kirche, wenn sie so offen wäre, dass sie sagt: Es gibt neue Möglichkeiten und wer will, kann daran teilnehemen.